Montag, 21. Dezember 2015

Aus dem "Wir", wird "ich"



Vier Jahre.

Im Zeitalter von schnellen Sex und sich ständig bietenden Gelegenheiten für aufregende Abenteuer, sei es in zahlreichen sozialen Netzwerken nach dem Motto ´Ein Wisch nach rechts - deine Nase gefällt mir´ oder in Clubs, die so dunkel und verwinkelt sind, dass man das Knistern in jeder Ecke förmlich hören kann, eine gute Zeit. Eine Zeit, in der Vertrauen und das Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit wächst. Aber auch eine Zeit, in der alles zur Gewohnheit wird. Eine Zeit, in der unweigerlich irgendwann die Frage entsteht: ´Ist es dass, was ich wirklich will? Mit diesem einen Menschen?´.

Vier Jahre und ich habe diese Frage mit ´Nein´ beantwortet.

Das war vor einem halben Jahr. 
Nun kommt der Sommer. 

Ich sitze bei strahlendem Sonnenschein in meinem frisch renovierten Wohnzimmer auf dem Boden und starre meine Wunschtapete an. Auf dem gesperrten Bildschirm des Handys die Meldung ´SexyBoy007 und MisterRight finden dich hübsch und haben dir eine Chatanfrage geschickt´. Mir steigt der Geruch des aufgewärmten Auflaufes von gestern in die Nase - Gott ist mir schlecht! Das habe ich mir alles irgendwie anders vorgestellt.

In meinem Kopf ein Prozess.
Die Anklage: 
´Wegwerfen einer doch recht komplikationslosen Traumbeziehung´; 
die Verteidigung: 
´Es fühlte sich nicht richtig an.´


`Was ist nur los mit mir´der Dauerbrenner meiner Gedanken.

Wir beide rannten dem alltäglichen Gesellschaftsleben hinterher. Aufstehen, guten Morgen Kuss, jeder ging seine Wege. Büro - Werk. Abends zusammen irgendetwas essen, Fernsehen, Couch, Diskussionen über rumliegende Socken, große Geschäfte und nicht geöffnete Badfenster am Morgen, Pläne, was man nicht alles einmal unternehmen müsste, gute Nacht Kuss. Herzlich Willkommen stupider Alltag. Etwas musste sich verändern.

´Lass uns heiraten´ war die Idee. 
Es war kein romantischer Entschluss, kein romantisches Irgendwas, wie man es aus Film und Fernsehen kannte. ´Das ist vollkommen ok, dass wollte ich ja auch nie´, war die erste Aussage nach der Bekanntgabe der frohen Botschaft im Freundes- und Kollegenkreis.

Ich hatte das Gefühl, diesen Entschluss oder die Art des Entschlusses irgendwie verteidigen zu müssen, wenn man in die enttäuschten Augen demjenigen Gegenüber blickte.

Es folgte eine aufregende Phase der Planung. Ablenkung vom stupiden Alltag. Wie stellten wir uns das Ganze vor? Klein, nur der engste Familien- und Freundeskreis? Oder doch nur wir beide allein?

Zwei Menschen, eine Beziehung.

Zwei Meinungen, eine Hochzeit.

Eine Hochzeit und ein Mensch, dem plötzlich Zweifel kamen. Der sich die Frage stellte, soll ER das wirklich sein?

Ein Mensch, dem plötzlich gar nicht mehr nach Heiraten zu Mute war.

In Zeiten einer Beziehung bedeutet Single zu sein, frei zu sein. Keine Kompromisse eingehen zu müssen. Sein Leben zu leben ohne auf einen Anderen und dessen Gefühle zu achten. Spaß zu haben. Single zu sein, ist - aus einer Beziehung heraus betrachtet - das Beste, was einem passieren kann. Der Platz an der Sonne.

Ich bin Single.
Single und 27 Jahre alt.
So alt, wie viele meiner Freunde.

Meine Freunde, die sich allesamt in festen Beziehungen befinden, die ihre ersten Kinder erwarten und ihre Hochzeiten planen.

Single zu sein bedeutete vielleicht vor 4 Jahren noch, den Platz an der Sonne reserviert zu haben. Du hast dir deine zwanzig Freundinnen geschnappt und bist mit ihnen Nachts um die Häuser gezogen, hast die Bars und Clubs unsicher gemacht und mit Hilfe deiner zwanzig Freundinnen alles angeflirtet, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Du warst Single! So wie fast alle deiner Freundinnen.

Jetzt bedeutet Single zu sein plötzlich, bei den Hochzeiten deiner zwanzig Freundinnen am Kindertisch platziert zu werden; die eine zu sein, auf deren Einladung "und Begleitung" steht, da diese noch gar nicht zu definieren ist.

Single zu sein bedeutet, Einladungen per SMS zu erhalten, die mit ´Ihr bringt bitte EURE Hausschuhe mit´ enden. Single zu sein bedeutet jetzt plötzlich, zwei Sekunden später eine weitere SMS zu erhalten, die die Entschuldigung ausdrückt, dass ich mit `Ihr´ angesprochen wurde, dass selbstverständlich gemeint war, ´DU bringst bitte deine Hausschuhe mit´.

Ach was, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Gut, dass das klar gestellt wurde, sonst hätte ich jetzt stundenlang hektisch nach meinem WIR gesucht. Und wann hat das eigentlich angefangen, dass WIR Hausschuhe zu irgendwelchen Feten mitbringen?! Verdammt seid IHR alt geworden.

Oh Nein, mit 27 Jahren Single zu sein bedeutet keineswegs mehr aufregende Abenteuer in bester Gesellschaft. Mit 27 Jahren Single zu sein bedeutet Anfangs vor allem eines: Allein zu sein. Sich zu fragen, was du jetzt ohne deine alten Spielgefährten überhaupt anstellst. In Zeiten, in denen alle mit dem Hausbau und der Familienplanung beschäftigt sind, stehst du wieder am Anfang.

Und das allein.













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