Dienstag, 22. Dezember 2015

"Phantom"Schmerz



Und eines Tages, ist er plötzlich dar: 
Dieser Gesichtsausdruck. Dieser Ausdruck in Verbindung mit den geschockt, weit geöffneten und sich kaum merklich mit Feuchtigkeit füllenden Augen im blass werdenden Gesicht deines Liebsten. 


Er hatte gerade den Hörer abgenommen und nach dem fröhlichen "Na du, was gib's..." folgte die Stille des Zuhörens. Scheinbar endlose Minuten. `Typisch MännerGESPRÄCHE' witzelte ich in meinem Kopf noch rum, als mir erst seine veränderte Körperhaltung auffiel. Eine Körperhaltung, die in mir umgehend eine gewisse Nervosität auslöste. 

Er lief mit seinem Gesprächspartner einige Schritte hin und her, zuppelte hier und da an einer Blume auf dem Fensterbrett rum, ein kurzes bestätigendes 'mhhh' und er lauschte weiterhin aufmerksam seinem Gesprächspartner. Das Gesicht stets abgewandt von mir. 

Ein dumpfes, flaues Gefühl zog in meine Magengegend ein. 

'Lass mich dein Gesicht sehen, Liebster'

die leisen Stimmen in meinem Kopf. Ich war hoch konzentriert, ließ ihn nicht mehr aus den Augen. Ich nahm wahr, wie er mit seiner Hand seinen Nacken massierte und den Kopf in den Nacken legte. Er ist angespannt.

'Lass mich dein Gesicht sehen, Liebster'

die leisen Stimmen hatten sich zu einem lautstarken Chor vereinigt, Stadionatmosphäre in meinem Kopf. Mir hämmert der Schädel. Nach ca. vier Minuten hielt ich die Anspannung schon fast nicht mehr aus, als das Gespräch mit einem emotionslosen "Ok. Danke. Gib mir dann bescheid wann." endete. 

Endlich! Ich habe taaauuusssend Fragen, die ich loswerden will: Wer war das? Was gab's zu berichten? Warum zuppeltst du an meinen wehrlosen Blumen rum? Warum hast du Nackenschmerzen? Wollten wir nicht schon längst anfangen zu essen? .... 

Und dann dreht er sich um... 
Dieser Gesichtsausdruck. Ganz blass mit weiten, glasigen Augen. 
Ich habe keine Fragen mehr. Mir ist schlecht! Ich bin geschockt. Meine Seele tut mir weh...mir fehlen die Worte. Mir bleibt nur, ihn in den Arm zu nehmen und zu trösten...uns beide. 

Nachdem der Liebste irgendwie in den Schlaf gefunden hat, schaltet sich bei mir Mister Kopf ein:

'Warum fühlst du dich denn so schlecht? 
Warum bist du denn so betroffen? 
Er ist hier der Betroffene, für ihn ist das ja alles verständlich. 
Aber warum weinst du?!' 

Ich nehme die Verhandlungen auf, an Schlaf ist eh nicht zu denken: 

Meine Damen und Herren, 
auf der Anklageseite (nicht anders zu erwarten) - der Kopf; stellvertretend für alle vernünftigen, logischen und an Regeln festmachbare Vorgänge; 
auf der Angeklagtenbank (mal wieder) - der Bauch; stellvertretend für sämtliche emotionalen Reaktionen.

Die Anklage wurde bereits verlesen. Die Verteidigung:

"Die Fähigkeit und Bereitschaft, die Gefühle einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen und hierauf zu reagieren, nennt man Empathie du Ar***!!!"

Kurzer Prozess. 
Im Sitzungssaal bricht Jubel aus...

Ja, ER ist der Betroffene... und genau das macht mich betroffen. 
Er ist mein big`L´. Es ist mein Wunsch und mein Bestreben, dass es ihm gut geht. In jeder Hinsicht. Und es geht ihm nicht gut... Und ihn so zu sehen, lässt mich zur Betroffenen werden, lässt es mir nicht gut gehen, lässt mich weinen. 


Liebster, es tut mir unsagbar leid. 
Die unendliche Trauer in Dir, 
ich kann sie Dir nicht abnehmen, so gerne ich es wollte. 
Aber ich kann und werde Dich auf deinem schweren Weg begleiten, 
Dich stützen und ermutigen weiterzugehen. 

In tiefer Trauer nehme ich Anteil an Deinem Schmerz...






Waage



´Unbekannt ist immer doof, 
wir sind vom Sternzeichen halt Waagen. 
Alles was gewohnt ist, 
ist okay - auch wenn es weh tut, man kennt es ja`

sagte meine hochschwangere Freundin. Sie hat zwei Tage vor mir Geburtstag und ist dementsprechend eine Leidensgenossin des Sternzeichens, das ich (wir) kurz mit Dramaqueen, mangelnde Entscheidungsfreudigkeit und sehr emotional charakterisieren würde.

´Drecks Sternzeichen manchmal. Weißte was ich jetzt mache? Ich schummel einfach: Ich feiere ab sofort im Sommer Geburtstag! Drei Fliegen mit einer Klappe. Ich reiß mich von meinem eh immer betrübten Geburtstag los, bin ein anderes Sternzeichen und hab die Sonne zum Geburtstag!´

Die Idee trifft auf Zustimmung, sie macht mit. Die Frage ist also, wann wir Geburtstag haben wollen.

`Wenn der Kleine geboren wird.
Die Frage ist zu geil.´

Ja, die Frage finde ich super. Mein Gefühl ist völligst von dem Ausbruch aus alten Gewohnheiten überzeugt. Jetzt wird alles anders. 

`Okay, du also, wenn der Kleine geboren wird. Und ich dann wieder zwei Tage später, oder? Muss ja schon in der Nähe bleiben, Gewohnheit und so...´

Memo an mich: Merkste selber oder?!

Du kannst machen was du willst, aber du bleibst am Ende doch das Sternzeichen, was du bist.


Montag, 21. Dezember 2015

Aus dem "Wir", wird "ich"



Vier Jahre.

Im Zeitalter von schnellen Sex und sich ständig bietenden Gelegenheiten für aufregende Abenteuer, sei es in zahlreichen sozialen Netzwerken nach dem Motto ´Ein Wisch nach rechts - deine Nase gefällt mir´ oder in Clubs, die so dunkel und verwinkelt sind, dass man das Knistern in jeder Ecke förmlich hören kann, eine gute Zeit. Eine Zeit, in der Vertrauen und das Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit wächst. Aber auch eine Zeit, in der alles zur Gewohnheit wird. Eine Zeit, in der unweigerlich irgendwann die Frage entsteht: ´Ist es dass, was ich wirklich will? Mit diesem einen Menschen?´.

Vier Jahre und ich habe diese Frage mit ´Nein´ beantwortet.

Das war vor einem halben Jahr. 
Nun kommt der Sommer. 

Ich sitze bei strahlendem Sonnenschein in meinem frisch renovierten Wohnzimmer auf dem Boden und starre meine Wunschtapete an. Auf dem gesperrten Bildschirm des Handys die Meldung ´SexyBoy007 und MisterRight finden dich hübsch und haben dir eine Chatanfrage geschickt´. Mir steigt der Geruch des aufgewärmten Auflaufes von gestern in die Nase - Gott ist mir schlecht! Das habe ich mir alles irgendwie anders vorgestellt.

In meinem Kopf ein Prozess.
Die Anklage: 
´Wegwerfen einer doch recht komplikationslosen Traumbeziehung´; 
die Verteidigung: 
´Es fühlte sich nicht richtig an.´


`Was ist nur los mit mir´der Dauerbrenner meiner Gedanken.

Wir beide rannten dem alltäglichen Gesellschaftsleben hinterher. Aufstehen, guten Morgen Kuss, jeder ging seine Wege. Büro - Werk. Abends zusammen irgendetwas essen, Fernsehen, Couch, Diskussionen über rumliegende Socken, große Geschäfte und nicht geöffnete Badfenster am Morgen, Pläne, was man nicht alles einmal unternehmen müsste, gute Nacht Kuss. Herzlich Willkommen stupider Alltag. Etwas musste sich verändern.

´Lass uns heiraten´ war die Idee. 
Es war kein romantischer Entschluss, kein romantisches Irgendwas, wie man es aus Film und Fernsehen kannte. ´Das ist vollkommen ok, dass wollte ich ja auch nie´, war die erste Aussage nach der Bekanntgabe der frohen Botschaft im Freundes- und Kollegenkreis.

Ich hatte das Gefühl, diesen Entschluss oder die Art des Entschlusses irgendwie verteidigen zu müssen, wenn man in die enttäuschten Augen demjenigen Gegenüber blickte.

Es folgte eine aufregende Phase der Planung. Ablenkung vom stupiden Alltag. Wie stellten wir uns das Ganze vor? Klein, nur der engste Familien- und Freundeskreis? Oder doch nur wir beide allein?

Zwei Menschen, eine Beziehung.

Zwei Meinungen, eine Hochzeit.

Eine Hochzeit und ein Mensch, dem plötzlich Zweifel kamen. Der sich die Frage stellte, soll ER das wirklich sein?

Ein Mensch, dem plötzlich gar nicht mehr nach Heiraten zu Mute war.

In Zeiten einer Beziehung bedeutet Single zu sein, frei zu sein. Keine Kompromisse eingehen zu müssen. Sein Leben zu leben ohne auf einen Anderen und dessen Gefühle zu achten. Spaß zu haben. Single zu sein, ist - aus einer Beziehung heraus betrachtet - das Beste, was einem passieren kann. Der Platz an der Sonne.

Ich bin Single.
Single und 27 Jahre alt.
So alt, wie viele meiner Freunde.

Meine Freunde, die sich allesamt in festen Beziehungen befinden, die ihre ersten Kinder erwarten und ihre Hochzeiten planen.

Single zu sein bedeutete vielleicht vor 4 Jahren noch, den Platz an der Sonne reserviert zu haben. Du hast dir deine zwanzig Freundinnen geschnappt und bist mit ihnen Nachts um die Häuser gezogen, hast die Bars und Clubs unsicher gemacht und mit Hilfe deiner zwanzig Freundinnen alles angeflirtet, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Du warst Single! So wie fast alle deiner Freundinnen.

Jetzt bedeutet Single zu sein plötzlich, bei den Hochzeiten deiner zwanzig Freundinnen am Kindertisch platziert zu werden; die eine zu sein, auf deren Einladung "und Begleitung" steht, da diese noch gar nicht zu definieren ist.

Single zu sein bedeutet, Einladungen per SMS zu erhalten, die mit ´Ihr bringt bitte EURE Hausschuhe mit´ enden. Single zu sein bedeutet jetzt plötzlich, zwei Sekunden später eine weitere SMS zu erhalten, die die Entschuldigung ausdrückt, dass ich mit `Ihr´ angesprochen wurde, dass selbstverständlich gemeint war, ´DU bringst bitte deine Hausschuhe mit´.

Ach was, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Gut, dass das klar gestellt wurde, sonst hätte ich jetzt stundenlang hektisch nach meinem WIR gesucht. Und wann hat das eigentlich angefangen, dass WIR Hausschuhe zu irgendwelchen Feten mitbringen?! Verdammt seid IHR alt geworden.

Oh Nein, mit 27 Jahren Single zu sein bedeutet keineswegs mehr aufregende Abenteuer in bester Gesellschaft. Mit 27 Jahren Single zu sein bedeutet Anfangs vor allem eines: Allein zu sein. Sich zu fragen, was du jetzt ohne deine alten Spielgefährten überhaupt anstellst. In Zeiten, in denen alle mit dem Hausbau und der Familienplanung beschäftigt sind, stehst du wieder am Anfang.

Und das allein.